Auf den Spuren Adalbert Stifters

Der in Oberplan an der Moldau geborene Dichter Adalbert Stifter (1805-1868) hat mit der Erzählung Der Hochwald dem Dreisessel und dem Plöckensteiner See ein literarisches Denkmal gesetzt.

 „Meine ganze Seele hängt an dieser Gegend.“

 

Der Stifter-Obelisk über der Seewand
Der Stifter-Obelisk über der Seewand

Das Geburtshaus von Adalbert Stifter
Das Geburtshaus von Adalbert Stifter

In diesem Haus in Oberplan (Horní Planá) wurde Adalbert Stifter am 23. Oktober 1805 geboren. Hier verlebte er seine Kindheit bis zum Eintritt in das Gymnasium des Benediktinerstifts Kremsmünster. Das Haus wurde nach einem Brand 1934 neu errichtet. Es beherbergt heute die Zweigstelle des Kreisheimatmuseums in Ceský Krumlov.

Plöckensteiner See und Moldautal
Plöckensteiner See und Moldautal

„Auf diesem Anger, an diesem Wasser ist der Herzschlag des Waldes.“

 

Ein Gefühl der tiefsten Einsamkeit überkam mich jedesmal unbesieglich, so oft und gern ich zu dem märchenhaften See hinaufstieg. Ein gespanntes Tuch ohne eine einzige Falte liegt er weich zwischen dem harten Geklippe, gesäumt von einem dichten Fichtenbande, dunkel und ernst, daraus manch einzelner Urstamm den ästelosen Schaft emporstreckt, wie eine einzelne alterthümliche Säule. Gegenüber diesem Waldbande steigt ein Felsentheater lothrecht auf, wie eine graue Mauer, nach jeder Richtung denselben Ernst der Farbe breitend, nur geschnitten durch zarte Streifen grünen Mooses, und sparsam bewachsen von Schwarzföhren, die aber von solcher Höhe so klein herabsehen, wie Rosmarinkräutlein. Auch brechen sie häufig aus Mangel des Grundes los, und stürzen in den See hinab; daher man, über ihn hinschauend, der jenseitigen Wand entlang in gräßlicher Verwirrung die alten ausgebleichten Stämme liegen sieht, in traurigem weiß leuchtendem Verhack die dunklen Wasser säumend. Rechts treibt die Seewand einen mächtigen Granitgiebel empor, Blockenstein geheißen; links schweift sie sich in ein sanftes Dach herum, von hohem Tannenwald bestanden, und mit einem grünen Tuche des feinsten Mooses überhüllet.

Da in diesem Becken buchstäblich nie ein Wind weht, so ruht das Wasser unbeweglich, und der Wald und die grauen Felsen, und der Himmel schauen aus seiner Tiefe heraus, wie aus einem ungeheuern schwarzen Glasspiegel. Ueber ihm steht ein Fleckchen der tiefen, eintönigen Himmelsbläue. Man kann hier Tagelang weilen und sinnen und kein Laut stört die durch das Gemüth sinkenden Gedanken, als etwa der Fall einer Tannenfrucht oder der kurze Schrei eines Geiers.

Oft entstieg mir ein und derselbe Gedanke, wenn ich an diesen Gestaden saß: – als sei es ein unheimlich Naturauge, das mich hier ansehe – tief schwarz – überragt von der Stirne und Braue der Felsen, gesäumt von der Wimper dunkler Tannen – drinn das Wasser regungslos, wie eine versteinerte Thräne.

aus: Der Hochwald